Der Tod des Partners wirft Menschen aus der Bahn. „Für mich sind die Gespräche mit der Trauerbegleiterin ein Anker, mir hilft ihr neutraler Blick auf meinen Verlust“, sagt die Wiehlerin Gabriele Keil-Riegert.

Das Wort „Witwe“ erschreckt sie immer wieder. „Ich mag es nicht hören“, sagt Gabriele Keil-Riegert. Wer auf Formularen fortan nicht mehr als „verheiratet“, sondern mit „verwitwet“ bezeichnet werde, der habe sich diesen Zustand nicht ausgesucht – werde aber stets schmerzlich daran erinnert. Die Amtsleiterin bei der Verwaltung des Oberbergischen Kreises vergisst nicht, seit wann genau das auf sie zutrifft: „Seit einem Jahr, zwei Monaten und zwei Wochen bin ich alleine.“

Alle Gefühle haben ihre Berechtigung

Der plötzliche Tod ihres Ehemanns zerriss damals ihre Welt: „Es war nicht zu begreifen, ich wurde überrollt von Wut, Verzweiflung und Angst und war mir selbst fremd“. Seitdem helfe ihr eine Begleitung durch das Trauerzentrum Oberberg der Malteser. „In der ersten Zeit waren die wöchentlichen zwei Gespräche dort mein Haltepunkt“, sagt Gabriele Keil-Riegert. Hier erfuhr sie: Alle Gefühle haben während der Trauer eine Berechtigung, dürfen erlebt und angesprochen worden.

Für Gabriele Keil-Riegert (li.) haben die Gespräche mit Trauerbegleiterin (Mi.) eine Priorität vor anderen Terminen. Leiterin Conny Kehrbaum (re.) hat das Trauerzentrum 2011 mitgegründet


Jetzt redet sie alle ein bis zwei Wochen mit ihrer Trauerbegleiterin Evelin Bottenberg. „Ihr professionell-distanzierter Blick hilft mir, über den Tod meines Mannes zu sprechen“, sagt die Wiehlerin. Natürlich nähmen auch die Menschen in ihrem nahen Umfeld großen Anteil: „Doch sie sehen mich aus der Perspektive einer Mutter oder eines Sohnes, sie sorgen sich um mich und trauern selbst.“

Die Trauer nicht einfach an der Garderobe abgeben

Termine im Trauerzentrum haben für sie bis heute Priorität: „Dafür verschiebe ich auch mal einen beruflichen Termin.“ Von ihren Kolleginnen und Kollegen bei der Kreisverwaltung in Gummersbach fühlt sie sich verstanden und unterstützt. „Ich erlebe viel Einfühlungsvermögen.“ Und das erleichtert sie: „Denn ich kann das persönliche Erleben nicht einfach an der Garderobe abgeben und dann acht Stunden lang funktionieren …“

Mit der Trauer, dem Nachdenken und den regelmäßigen Gesprächen im Trauerzentrum weitete sich ihr Blickfeld für andere Menschen und Themen. Gabriele Keil-Riegert erlebte zum Beispiel, dass auch andere in ihrer Trauer diese Angst verspüren, verrückt zu werden. In einem Buch über die Trauer las sie, wie Menschen den Verlust, den ihr Gegenüber erlitten hat, nicht ansprechen: „Auch dann nicht, wenn er so viel Raum einnimmt wie ein großer, weißer Elefant.“ Das hatte sie selbst erlebt, als bei einer Feier niemand über zwei kürzlich verstorbene Menschen sprach, die doch allen nahegestanden hatten. „Mit meiner heutigen Erfahrung würde ich das nun ansprechen“, meint sie.

Mit dem Verlust weiterleben

Wo ist der Platz meines verstorbenen Mannes in meinem Leben? Diese Frage möchte Gabriele Keil-Riegert noch bei Gesprächen im Trauerzentrum in Wiehl klären. „Nach 40 gemeinsamen Ehejahren, denen ein halbes Jahr in der Dämmerung folgte, muss ich lernen, mit dem Verlust weiterzuleben.“ Eine Entscheidung konnte sie bereits treffen: „Obwohl mein Mann in meinem Beisein zuhause verstorben ist, möchte ich weiter in unserem Haus leben.“ Denn hier fühle sie sich beschützt und geborgen.

(Text und Foto: Sabine Eisenhauer)

27.07.2018 - Wiehl