"Wir erleben innige Momente"


Bei Kerzenschein sitzt Hans-Gerd Schrahe mit einem Mitbewohner in der Bergischen Stube im Johannes-Hospiz Oberberg in Wiehl. Der Tisch ist mit Tannenzweigen, Walnüssen und Weihnachtskugeln dekoriert, daneben stehen Kakao, Tee und Glühwein. „Das ist ein schöner Anblick, wie Ihr da so in trauter Runde sitzt", sagt Hospizpflegerin Bettina Hüttig-Reusch, die gerade zur Tür hereinkommt. „Ja, wahrscheinlich sehen wir aus wie Dick und Doof", erwidern die beiden Herren, und in ihr Lachen stimmen die Pflegerin und alle Gäste im Raum mit ein.


„Wissen Sie, das Leben im Hospiz habe ich mir so nicht vorgestellt", sagt Hans-Gerd Schrahe. Ein stilles Haus mit dunklen Räumen und einer sterilen Atmosphäre habe er erwartet. „Ich dachte, hier wird nur geflüstert, doch wir lachen viel und haben oft Spaß", sagt der 81-jährige Gummersbacher. Als seine Krebserkrankung weiter fortschritt, war der Gedanke an einen Einzug in das Hospiz der Johanniter auch für seine Familie erst einmal mit Ängsten verbunden. „Wir mussten eine Hemmschwelle überwinden, um uns nun bewusst mit dem Tod und dem Sterben auseinanderzusetzen", sagt Tochter Heike Fuchs.

Zu Kaffee und Cappuccino trifft sie sich an diesem Nachmittag mit ihrem Vater, mit ihrem Sohn Michael Fuchs und ihrer Schwester Elke Dettlaff in der Bergischen Stube im Hospiz. „Wir sind froh, dass unser Vater nun hier lebt", sagen die Töchter. Es beruhige sie, dass im Haus eine Rundum-Betreuung durch die Pflegekräfte und die ehrenamtlichen Hospizhelfer des Ambulanten Malteser-Hospizdienstes gegeben sei. „So können wir unsere Zeit ganz bewusst dem Vater widmen", sagt Tochter Elke Dettlaff. „Gemeinsam erleben wir derzeit sehr innige Momente, die uns immer in Erinnerung bleiben werden."

„Mein Wunsch ist es, in Würde und ohne Schmerzen zu sterben", sagt Hans-Gerd Schrahe. Ein Fortführen der Chemotherapie am Lebensende hatte er ebenso abgelehnt wie weitere Operationen. „Das wäre für mich keine Lebensqualität mehr gewesen, es hätte mich nur gequält", erklärt er. Nun bekommt er Medikamente, die ihm Schmerzen und Übelkeit nehmen. „Ganz im Ernst, ich kann wirklich sagen, dass ich jetzt mein Leben hier genieße", ergänzt Hans-Gerd Schrahe.

Bewusst setzt er sich mit seinen Angehörigen und den Hospizmitarbeitenden mit den Situationen auseinander, die noch auf ihn zukommen könnten. Eine Pflegerin hatte der Familie zum Beispiel erklärt, dass Menschen am Lebensende das Essen und Trinken einstellen und ihnen dann der Mund mit Flüssigkeit befeuchtet wird. „Es war wirklich heftig, sich mit dem Sterbeprozess zu beschäftigen", sagt Tochter Heike Fuchs. Letztendlich sei es jedoch gut gewesen, dieses Thema offen anzusprechen: „Nun wissen wir, dass hier im Haus immer das Richtige für ihn getan werden wird."

„Das Verdrängen ist eben vorbei. Ich mache mir nichts vor, ich weiß, wie mein Zustand ist", ergänzt Hans-Gerd Schrahe. Der Tod bereite den Menschen große Angst, er erscheine böse und dunkel: „Doch schließlich muss sich jeder mit ihm auseinandersetzen." Nach Hause möchte der Gummersbacher nicht mehr, auch einen Weihnachtsmarkt will er nicht besuchen. „Da ist mir dann zu viel Wehmut bei", erklärt er. Dieser Lebensabschnitt sei eben vorbei: „Nun beschreite ich im Hospiz einen anderen Weg meines Lebens."

Drei Kinder, sieben Enkel und vier Urenkel hat Hans-Gerd Schrahe, und täglich bekommt er Besuch von einem oder mehreren Angehörigen, von Freunden und Nachbarn. „Wir erleben hier schöne Stunden im Kreis der Familie", berichtet Tochter Heike Fuchs. Gemeinsam brachten sie bereits ein Käsefondue mit ins Haus, sie ließen den Pizzaservice kommen, führten eine Weinprobe durch und feierten im Hospiz die Geburtstage der Schwestern Elke Dettlaff und Heike Fuchs. „Unsere Mutter Eleonore Schrahe lebt bedingt durch einen Schlaganfall und die Krebserkrankung unseres Vaters in einem Pflegeheim, wir holen sie regelmäßig ins Hospiz, damit auch sie von Papa Abschied nehmen kann", erklärt Heike Fuchs. Die ganze Familie sei dem Hospiz und seinen Mitarbeitenden überaus dankbar, dass sich ihr Papa in seinem letzten Lebensabschnitt so umsorgt, so sicher, wohl und geborgen fühlen dürfe. „Wir sind dankbar, dass es diese würdevolle Begleitung gibt."

„Wenn die Zeit gekommen ist, dann bin ich bereit zu gehen", sagt Hans-Gerd Schrahe. Er habe doch nichts verpasst, erklärt er: „Ich habe ein glückliches und erfülltes Leben gehabt, eine tolle Familie und eine tolle Frau." Seine Einstellung beeindruckt auch die Kinder und Enkel. „Diese Worte unseres Vaters werden wir bis an unser eigenes Lebensende in Erinnerung halten", sagt Tochter Heike Fuchs.

Bild von links: Elke Dettlaff, Hans-Gerd Schrahe, Michael und Heike Fuchs. Text und Foto: Sabine Eisenhauer

20.12.2015 - Wiehl/Gummersbach