Leiden lindern und das Unvermeidliche zulassen

Beim 5. Nümbrechter Hospiz- und Palliativtag tauschten sich Fachleute und Betroffene über die Betreuung am Lebensende aus.

Die Menschen im Oberbergischen Kreis sollen eine angemessene Beratung und Betreuung am Lebensende erhalten. „Mit Ihnen ist hier nun eine umtriebige Gemeinschaft zusammengekommen, die sich diesem Ziel widmet", hat Chefarzt Dr. Markus Ebke von der Rhein-Sieg-Klinik am Samstag, 5. November 2016, die Besucherinnen und Besucher des 5. Nümbrechter Hospiz- und Palliativtags begrüßt. Mehr als 100 Gäste besuchten den Fachtag in der Rhein-Sieg-Klinik der Dr. Becker Klinikgruppe in Nümbrecht. Sie informierten sich über neue Gesetze, über die Vernetzung der regionalen Palliativarbeit und über die neuesten Erkenntnisse der Schmerzmedizin.

„Unser Landkreis ist bei der Hospiz- und Trauerarbeit immer Vorreiter gewesen", sagte Sozial- und Gesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach vom Oberbergischen Kreis in Nümbrecht. So bestehe seit 1999 die oberbergische Arbeitsgemeinschaft für die Hospizarbeit, es gebe flächendeckend in jeder Kommune einen ambulanten Hospizdienst, außerdem ein Hospiz, eine Palliativstation und ein Trauerzentrum.

"Schlafentzug ist Folter"
Über den aktuellen Stand der Schmerztherapie informierte anschließend Dr. Johannes Horlemann aus Kevelaer, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin. „Schmerz unterbricht den Schlaf, der gestörte Schlaf erhöht das Schmerzempfinden, und das ist Folter", verdeutlichte er. In Nümbrecht stellte er komplexe und auf den Patienten und seine individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Schmerztherapien vor. Therapien, zu denen jeder Betroffene bei einer ambulanten Versorgung selbstverständlich Zugang haben solle, betonte Horlemann. „Es ist traurig, dass dies jedoch bundesweit nicht flächendeckend der Fall ist."

"Ein weißer Fleck auf der Karte"
Über den schwierigen Stand der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) im Oberbergischen Kreis informierte in Nümbrecht die Dieringhausener Palliativärztin Elisabeth Jülich, Mitbegründerin der SAPV Oberberg GmbH. Auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung haben Patienten seit mehr als neun Jahren einen gesetzlich zugesicherten Anspruch, wenn die Intensität oder Komplexität ihrer Krankheit den Einsatz eines Palliativteams vorübergehend oder dauerhaft notwendig macht. Ziel ist es, auch solchen Patientinnen und Patienten eine Versorgung zu Hause zu ermöglichen, die einen besonders aufwändigen Betreuungsbedarf haben.

Zu diesem Zweck hatte die SAPV Oberberg GmbH, bei der oberbergische Fachleute aus Medizin und Pflegediensten mitwirken, ihre Zulassung im vergangenen Mai beantragt. Dieser Antrag wurde jedoch vom Oberlandesgericht abgelehnt. „Seit Juni gibt es eine Sperre bei den Zulassungen, die auch die Anträge betrifft, die ein halbes Jahr vor diesem Termin gestellt worden sind", berichtete Jülich. Damit sei der Oberbergische Kreis neben Wesel und Euskirchen bis jetzt einer der drei weißen Flecke im Gebiet Nordrhein bei der SAPV-Versorgung. Die oberbergischen Initiatoren warten nun auf die schriftliche Begründung der Ablehnung durch das Gericht.



"Zulassen statt Loslassen"

Derzeit betreiben sie eine sogenannte vereinfachte ambulante Palliativversorgung. „Von der mangelhaften Finanzierung dieser Arbeit her betrachtet, gleicht das aber eher einem Hobby", sagte in Nümbrecht Pflegedienst-Inhaber Uwe Söhnchen, einer der Mitbegründer der SAPV GmbH. Chefarzt Markus Ebke rief in Nümbrecht die betroffenen Patienten dazu auf, ihr Recht auf die SAPV einzuklagen. „Menschen am Lebensende befinden sich aber doch in einer belastenden Situation, die nicht viel Kraft für ein Gerichtsverfahren lässt", gab eine Besucherin an dieser Stelle zu bedenken.

„Manchmal wollen Patienten einfach nur irgendetwas passieren lassen, damit ihre Situation beendet wird", sagte in Nümbrecht Dr. Birgit Jaspers von der Uni-Klinik und dem Malteser-Krankenhaus in Bonn. Die Philosophin stellte Umfrageergebnisse zu Sterbehilfe und assistiertem Suizid vor und erläuterte die aktuelle Gesetzeslage. „Du musst endlich loslassen...", die derzeit moderne Idealisierung des Loslassens stellte Dr. Stefan Brettner, Leiter der Waldbröler Palliativstation, in Nümbrecht auf den Prüfstand. „Wie groß ist denn überhaupt die Akzeptanz des Todes?", fragte er bei seinem Vortrag. „Das Sterben ist doch unvermeidlich, und es gilt nicht loszulassen, sondern das Unvermeidliche zuzulassen."



Veranstalter des Nümbrechter Palliativtags sind neben der Rhein-Sieg-Klinik, die Johanniter im Regionalverband Rhein.-/Oberberg, der Ambulante Malteser-Hospizdienst Wiehl/Nümbrecht, der Förderverein „Freunde und Förderer der Hospizarbeit in Wiehl", die Johannes-Hospiz Oberberg Stiftung, der Oberbergische Kreis und das Klinikum Oberberg.

06.11.2016 - Wiehl