Seit ihrer Krebsdiagnose wird Slavica Junge von der Malteser-Hospizhelferin Karin Jehnes begleitet.

Auf ihrem sonnenüberfluteten Balkon in Nümbrecht redet Slavica Junge der Aloe Vera-Pflanze gut zu. „Lass dich nicht hängen, ich tu das doch auch nicht,“ sagt die 70-Jährige lachend zu dem Topfgewächs mit seinen herabgesenkten Blättern. Sich nicht hängen zu lassen, das ist immer schon das Lebensmotto von Slavica Junge gewesen: Sie ließ einen gewalttätigen Partner hinter sich, sorgte als berufstätige Alleinerziehende für ihre drei Kinder und meisterte mit dem Umzug von Bayern in den Oberbergischen Kreis einen Neuanfang.

Wenn sie mit Hospizhelferin Karin Jehnes über ihr Leben spricht, dann schildert die gebürtige Slowenin lebhaft und anschaulich ihre Erlebnisse. Und auch für ihre Erkrankung findet sie eine bildhafte Beschreibung: „Bandit“ nennt sie den bei ihr im Januar 2020 diagnostizierten Tumor im Gehirn. „Denn er raubt mir Kraft, und macht mir klar, dass ich nie wieder gesund werde.“

Über den Bäumen: Der Ausflug war für beide ein tolles Erlebnis

Mit Karin Jehnes spricht sie über die Begleiterscheinungen ihrer Bestrahlungstherapie und über die Angst vor dem Tod. „Niemand möchte gerne sterben, und eigentlich liebe ich mein Leben“, sagt Slavica Junge. „Doch in den vergangenen Monaten gab es auch Momente, da wollte ich einfach nicht mehr“, fügt sie hinzu. Karin Jehnes hört sich ihre Sorgen und Befürchtungen aufmerksam an. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin der Malteser-Hospizdienste Oberberg hat bei ihrem Befähigungskurs für das Ehrenamt im Hospizdienst und auch bei Supervisionen gelernt, die Wut und die Verzweiflung der Menschen auszuhalten.

Slavica Junge (re.) besuchte mit Hospizhelferin Karin Jehnes den Baumwipfelpfad

Ihre Ausbildung durch die Malteser hat Karin Jehnes ebenso für die Wünsche und Bedürfnisse schwererkrankter Menschen sensibilisiert. Daher begleitete sie Slavica Junge, als die Seniorin unbedingt den Baumwipfelpfad im benachbarten Waldbröl besuchen wollte. „Da ihr Mann nicht schwindelfrei ist, bin ich einfach mitgegangen, und das war für uns beide ein tolles Erlebnis“, beschreibt die Hospizhelferin den Ausflug in den Naturerlebnispark „Panabora“.

„Es geht nicht darum dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben zu geben.“ Dieses Leitmotiv der Hospizarbeit finde sich bei den Begleitungen durch die Malteser-Mitarbeitenden wieder, sagt Karin Jehnes. „Denn niemand weiß, wann sein Leben zu Ende ist, darum ist es wichtig, die schönen Erlebnisse bewusst wahrzunehmen.“

Erinnerungen: Wie sie ihren Mann in der Eisdiele kennenlernte

Mit Slavica Junge spricht sie daher nicht nur über schwere Momente. „Wir reden über Gott und die Welt“, beschreiben die beiden ihre Gespräche. Und dabei leben zahlreiche schöne Augenblicke wieder auf. Dann erzählt Slavica Junge lachend, wie sie ihren jetzigen Ehemann Friedrich in einer Eisdiele in Marienheide kennenlernte: „Er kam mir zuerst sehr deutsch vor mit seiner karierten Hose und seinem karierten Hemd.“ Mit glänzenden Augen beschreibt sie, wie sie sich mit ihm vor mehr als 30 Jahren im Sand am dänischen Kap Skagen verlobt hat, sie erzählt von den mittlerweile sieben gemeinsamen Enkelkindern und ihrem Alltag als Köchin in einem Kloster am Chiemsee.

Die Ehrenamtlichen des Malteser-Hospizdienstes Oberberg begleiten die Menschen in deren Zuhause, in Kliniken oder stationären Einrichtungen. Derzeit besucht Karin Jehnes das Ehepaar Junge alle zwei Wochen in seiner Wohnung in Nümbrecht. Sie trägt deren Furcht vor der regelmäßig anstehenden Untersuchung mit – und ebenso die unendliche Erleichterung, wenn es wie beim vergangenen Klinikbesuch gute Nachrichten gibt: „Der Tumor hat sich nicht vergrößert, und das ist für mich wie ein Sechser im Lotto“, sagt Slavica Junge.

Text: Sabine Eisenhauer
Fotos: Sabine Eisenhauer / privat

01.11.2022 - Nümbrecht